1. GESCHICHTE
In Deutschand sind geschmückte Kristallschädel aus dem Himalaya leider nur selten zu sehen, sowohl in Privatsamlungen, bei Kristallschädel-Hütern, als auch im Handel. Ein solcher Kristallschädel aus dem Fundus eines süddeutschen Händlers wurde immerhin 2015 auf einer Ausstellung zum Thema des menschlichen Schädelkultes gezeigt. Dieser wird von ihm als "alt" und "original" deklariert, er soll aus der Mitte des 20. Jahrhunderts stammen.
Ein ethnologisch orientierter Antiquitätenhändler der älteren Generation, der bereits sein ganzes Leben lang nach Nepal reist und dort Artefakte einkauft, hat mir dagegen erzählt, dass diese Kristallschädel zum ersten Mal etwa um 1980 dort zu sehen waren.
Er führt ihre Fertigung auf den "Kult" um Kristallschädel zurück, der vor 40 Jahren allerdings noch lange nicht einen solchen Markt dargestellt haben dürfte wie heute, als dass sich ihre "Erfindung" nur aus diesem Grund gelohnt hätte.
Sehr wahrscheinlich sind die Kristallschädel aus dem Himalaya zunächst einfach aus der Idee und aus den technischen Möglichkeiten hervorgegangen, verschiedene klassische Ritualgegenstände der dort angesiedelten Kulturen auch aus kostbarem Bergkristall herstellen zu können. Im Falle der Kristallschädel bedeutet dies, in direkter Anlehnung an die "Kapala" genannten, geschmückten und metallbeschlagenen echten menschlichen Schädel, die ganz oder nur in Form der Kalotte in tantrischen Ritualen als Opfergefäße und zur meditativen Bewusstseinserweiterung, aber auch für dunkle magische Praktiken verwendet wurden und noch werden. Außer diesen Kristallschädeln sind zudem beispielsweise auch der Schädelschale nachempfundene Ritualschalen mit Deckel, Vajras oder Muschelhörner im selben Stil, also aus Bergkristall mit Filigree-Arbeiten und Edelsteinen besetzt, zu sehen. Dies bekräftigt die Vermutung, dass die Kristallschädel zum ersten Mal ganz einfach in direktem Zusammenhang mit all diesen traditionellen Ritualgegenständen der Himalaya-Kulturen hergestellt wurden.
2. HANDEL und HÄNDLER
Internationale Online-Marktplätze mögen suggerieren, dass ein Kristallschädel aus Nepal oder Tibet einfach bestellt werden kann, wenn nur die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden sind, denn Angebote aus China sind durchaus zu finden. Doch das ist ein Irrtum: Eine intensivere Suche hat gezeigt, dass fast alle Angebote von attraktiven und sorgfältig gefertigten Skulls längst nicht mehr aktuell sind; in anderen Worten, diese Exemplare sind überhaupt nicht erhältlich. Nachfragen bei diesen chinesischen Händlern beweisen, dass nur ein Händler, maximal vielleicht zwei, diese Art der Kristallschädel verkauft, und zwar über zahlreiche Accounts unter vielen verschiedenen Namen. Zwar wird der Händler bemüht sein, bei Interesse einen Ersatz anzubieten, doch ein Käufer möchte normalerweise den Skull, der ihn angesprochen hat und nicht irgendeinen, so dass der Händler auf deutlichere Nachfragen bald nicht mehr reagiert... Diese Situation kann sicher auch einmal zu einem größeren Kristallschädel für einen sehr günstigen Preis führen, aber eben genauso zu einer sehr großen Enttäuschung.
Manche Autoren werfen den Chinesen vor, die tibetische Kultur auszubeuten, da sie ihre Artefakte international handeln. Dies mag bei originalen alten Stücken schon zutreffen, nicht aber bei in dieser Zeit angefertigten Kristallschädeln und anderen Schädeldarstellungen, bei denen dieser Vorwurf zwar auch vorliegt, die in heutiger Zeit aber nachweislich und explizit für den Großhandel und Einzelverkauf gemacht werden und als tibetisch oder nepalesisch deklariert werden. Es könnte vielmehr gesagt werden, dass die spirituellen Symboliken und Bedeutungen der Schädel von den Himalaya-Kulturen übernommen und vermarktet werden.
In den letzten Jahren ist der Markt durch den Kristallschädel-Kult auch von kleinen, recht lieblos gestalteten Skulls aus Nepal überschwemmt worden.
Während die ersten Exemplare noch mit Feuervergoldung und Edelsteinen wie Rubin, Smaragd und roter Koralle dekoriert wurden, haben solche mit Kupfer und Kunststeinen inzwischen den Vorrang erhalten. Dies mag auf die Hochpreisigkeit solcher besonders reich und kostbar verzierten Kristallschädel zurückzuführen sein, welche sie fast unverkäuflich macht. Die Nachfrage nach Kristallschädeln scheint hier Anpassungen der Materialien und Preise notwendig gemacht zu haben.
Einen deutschen Markt gibt es bislang trotzdem nicht, geschmückte Kristallschädel aus dem Himalaya sind (noch) seltene Stücke geblieben.
3. HANDWERKER in NEPAL
Tatsächlich gibt es nur ganz wenige Kunsthandwerker in Nepal, wenn überhaupt eine Hand voll, die diese geschmückten Kristallschädel - insbesondere noch sorgfältig und akkurat - herstellen. Das tun sie nicht ausschließlich, sondern sie fertigen diverse Objekte an, auch sehr aufwändige Statuen und Götterfiguren, Thankas und viele andere Dinge der nepalesischen und tibetischen Kultur. Motiviert von der interntionalen Nachfrage und über die Vernetzung durch das Internet ist es möglich geworden, damit in den Handel zu gehen und diese Handwerker und Händler vor Ort leicht zu erreichen, gleichzeitig erreichen sie an Kristallschädeln interessierte Menschen... während in der Vergangenheit persönliche Reisen in den Himalaya dafür notwendig gewesen wären.
Trotzdem bleiben diese Kristallschädel wertvoll und teuer, für ihre Hersteller in ärmeren Ländern handelt es sich um sehr viel Geld. Aber als Lohn für viele Arbeitsstunden unter einfachsten und vollkommen ungeschützten Arbeitsbedingungen, mit bloßen Händen, relativieren sich die Preise doch. Trotzdem sind die nepalesischen Handwerker und Händler freundlich, ehrlich und bemüht, wobei die Wünsche und das Interesse von Kunden als absolute Wertschätzung dankbar angenommen werden.
Die meisten Kristallschädel aus dem Himalaya haben ein Gewicht von 8-15 kg, da diese Größe gut zu bearbeiten ist. Kleinere Kristallschädel sind wesentlich seltener erhältlich. Inzwischen geht aber auch in Nepal der Trend zunehmend in Richtung undekorierter Skulls aus ganz verschiedenen Steinsorten.
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