MoinMoin ihr Lieben!
Jetzt bin ich irgendwie baff...
Das Gespräch habe ich geschafft. Heute bin ich um sechs Uhr früh aufgestanden, um halb acht war ich dann unterwegs, ja nicht zu spät ankommen, alle potentiellen Verspätungsursachen mit einberechnen... mit dem Ergebnis, dass ich eine geschlagene Stunde zu früh dran war. Zum Glück waren meine Eltern dabei
Um zwanzig vor habe ich es nicht mehr ausgehalten, hab gesagt "Zum Deivel, ich geh da jetzt rein!"
Irre machen lohnt sich ja doch nicht. Und zu früh zu erscheinen statt zu spät kann ja auch nur ein Vorteil sein.
Als Vorbereitung habe ich gestern Abend noch wie eine Verrückte Unterlagen zusammen gesammelt, um auf die Lieblingsfragen meines stellvertretenden Chefs gut vorbereitet zu sein (an sich wusste ich alles schon, aber sicher ist sicher...).
Tja, und dann stand ich da vor der dunklen Zentrale und hab den Klingelknopf gedrückt. Dachte ja schon, wenn da jetzt keiner ist und ich meinen Termin habe, was mache ich denn dann? Wäre peinlich gewesen.
Laut meiner Kollegin hätte mich angeblich eine der Sekretärinnen abholen sollen, mich auf den Flur vorm Zimmer des stellvertretenden Chefs setzen sollen und dort hätte ich dann erstmal eine halbe Ewigkeit (und seien es nur fünf Minuten, ihr kennt das ja bestimmt

) warten müssen. Tja, dann war ich ja auch noch viel zu früh dran, also hätte ich noch mal so lange warten dürfen.
Pustekuchen.
Der stellvertretende Chef kam persönlich runter (geschähe angeblich nie), begrüßte mich (macht er angeblich auch selten), schüttelte mir die Hand (angeblich eine Seltenheit) und nahm mich mit nach oben in sein Büro, bot mir dort einen Sitzplatz an (angeblich müsste man sich dann immer selbst hinsetzen, weil er einem so etwas nie anbieten würde) und machte noch eben irgendwas in seinen Unterlagen fertig.
Meine Güte, ging mir die Flatter... ich dachte schon, dass ich vor lauter Nervosität einen Anfall bekommen und vom Stuhl rutschen würde, aber zum Glück bin ich gut auf meine Medis eingestimmt
Aber was war das denn für ein Gespräch? Er war nicht unfreundlich, garstig oder unfair, er hat mir keine fachbezogenen Fragen gestellt (ich nehme ja an, dass er sich die Bewertung von meiner jetzigen Meisterin noch eben kurz vorher durchgelesen hat), nur wie es in meinem Zeugnis aussieht und wie ich mich selbst sehe. Da hab ich ihm offen gesagt, dass mir die Routine ein wenig fehlt, weil ich im vergangenen Jahr kaum einen Kunden von Anfang bis Ende habe betreuen können, da ich entweder in der Schule oder krank war. Damit hat er es bewenden lassen.
Dann wollte er nur noch wissen, wo ich denn in Zukunft arbeiten möchte (was Deutschland angeht, könnte ich auch einfach einen Dartpfeil auf die Landkarte werfen und würde fast immer einen Ort treffen, in dem auch eine Filiale ist). Mit etwas Glück, wenn das mit dem Zug-Pendeln klappt, könnte ich hier bleiben und bei Bedarf im Nachbarort arbeiten.
Für ihn stand nie in Frage, dass ich übernommen werde!
Voraussichtlich bekomme ich Ende nächster Woche, Anfang übernächster Woche, meinen Arbeitsvertrag.
Und nein, der Mann war nicht unfreundlich und auch kein Untier. Am Anfang habe ich ihm eine gewisse Anspannung angemerkt (im Studium habe ich gelernt, in Körperhaltungen zu lesen, da diese mehr als Worte verraten können), die sich aber im Laufe des Gespräches deutlich gelegt hat. Am Ende haben wir uns sogar über das Wetter unterhalten und dass es gut war, den Termin heute zu machen und nicht am Dienstag (wie ursprünglich geplant), weil es da ja noch so glatt war.
Zum Abschied hat er mir noch zwei Mal die Hand geschüttelt.
Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück. Es hat sich mal wieder bewahrheitet.
Und dank eurer lieben Gedanken konnte ich mich auch einigermaßen beruhigen (wenn man mal vom ersten Moment in der Höhle des Löwen absieht

), ich musste mich nur erinnern, dass es liebe Menschen gibt, die gerade an mich denken, dann ging es.
Aber war es nur die Freundlichkeit von ihm oder die Länge meines Strickkleides...? Das kam mir erst später in den Sinn, als ich meinen Mantel wieder anzog und das Gebäude verließ: Das Kleid geht mir bis knapp über die Hälfte der Oberschenkel, darunter trug ich natürlich eine blickdichte schwarze Strumpfhose, aber trotzdem... Tröllchen, aber davon darf sich ein Arbeitgeber, ein Chef, ja nicht beeinflussen lassen, oder? Ich war ja auch hochgeschlossen und habe kein Decolletee gezeigt

)

euch für eure Gedanken und Anteilnahme! Wer mich heute steinig begleitet hat, werde ich euch morgen zeigen, wenn der Akku meiner Kamera wieder aufgeladen ist
LG Julia