Das Thema ist zwar schon ein paar Tage älter, aber ich glaube, ich lasse es kurz wieder aufleben, um euch auf den neuesten Stand zu bringen...
Heute Nachmittag hat es mich wie ein Anfall wieder ereilt. Die Gedanken schossen nur noch im Kreis herum, ich hatte auf einmal das Gefühl, nur meine Zeit zu verschwenden und zu nichts nutze zu sein. Das ist Unfug, objektiv betrachtet, denn kein Mensch ist unnutz, aber wenn ich in diese Spirale erst einmal hineinstolper, kommt mir das sehr realistisch vor. Es biss in meiner Seele, ich konnte nicht mehr still sitzen und rannte im Kreis herum, genauso wie meine Gedanken und ich wusste, dass ich etwas tun musste, denn sonst hätte dieses Verhalten darin gegipfelt, dass ich mich wieder verletze oder sonst etwas tue. Zum Gipfel hin ist mir völlig egal, was mir passiert, sonst war immer jemand da, der das schlimmste verhindert hatte und beim letzten Mal habe ich den Schritt gewagt, meine Mutter zu informieren, damit ich sie nicht unglücklich mache (sie hat mir sicherlich nicht umsonst einmal das Leben geschenkt und zwei Mal gerettet, wenn es ihr jetzt egal wäre, was mit mir passiert, hurra, da ist es wieder das schlechte Gewissen), aber dieses Mal war niemand da und das verdammte Handy ist verschwunden

In diesen Momenten lähme ich mich selbst, ich kann die Wohnung nicht verlassen, ich schaffe es einfach nicht mehr. Draußen könnte ich mich ablenken, aber das funktioniert einfach nicht mehr, wenn ich in der Spirale drin stecke.
In diesen Momenten drehe ich mich in immer engeren Kreisen um mich selbst bis ich mich selbst fast erwürge.
Immer wieder geht es mir durch den Kopf, dass ich nur meine Lebenszeit verschwende (auch, wenn ich normale Dinge tue wie mir einfach mal einen Film anzuschauen) und dass ich keinen Wert hätte, wenn ich nicht etwas großartiges erschaffe. Mir ist klar, dass ich das durch meine Arbeit niemals schaffen werde (viele verwirklichen sich durch ihre Arbeit). Ich werde niemals in diesem Beruf etwas derart großes erschaffen, dass dieses Gefühl in meinem Kopf das Maul halten würde. Aber das würde ich auch in keinem anderen Beruf.
In diesen Momenten ist mir das aber nicht klar, nur vorher und im nachhinein.
Währenddessen raubt es mir fast den Verstand.
Ich muss kreativ tätig sein, sonst habe ich keinen Wert und keine Begründung, auf Erden zu wandeln. Damals, als Kleinkind nach der Hirn-OP habe ich nicht von ungefähr überlebt. Irgendeinen Sinn habe ich in meinem Leben, ich habe irgendeinen Nutzen. Aber ich finde ihn nicht, ich finde ihn einfach nicht! Jahr für Jahr verstreicht, Tag für Tag fließt an mir vorbei und ich weiß nicht, weshalb ich überlebt habe. Ich finde meine Aufgabe einfach nicht. Wenn ich irgendetwas kreatives mache, etwas kleines erschaffe, und sei es ein gemaltes Bild oder ein Gedicht oder irgendsoein Kleinkram, dann beruhigt sich dieses Gefühl der Wertlosigkeit. Es verabschiedet sich niemals ganz, aber es wird so schwach, dass ich es ertragen/ignorieren kann.
Wenn sich die Spirale um mich schließt, kann ich nichts kreatives mehr tun. Wenn ich etwas schreiben will, fällt mir nichts ein, ich kann nicht einmal meine momentanen Gedanken niederschreiben, es klappt nicht. Wenn ich einen Stift in die Hand nehme, scheine ich mir die Finger daran zu verbrennen. Meist schaffe ich es gar nicht, irgendetwas auf das Blatt zu bringen. Und wenn doch, dann unterstreicht es nur meine Unfähigkeit und entstellt das Papier. In diesen Momenten habe ich das Atmen nicht einmal mehr verdient. Mein Körper tut nicht das, was er tun soll und ist wertlos. Muss bestraft werden.
Ich nehme meine Antidepressiva, meditiere, nutze die Steine und trotzdem ist es geschehen. Ich konnte nichts mehr. Alles war wie gelähmt. Meine Wohnung zu unaufgeräumt, zu schmutzig, ich hatte die Zeit, die ich hatte, nicht genutzt um sie sauber zu machen (dabei liegt nur ein wenig Staub herum, weil ich vier Wochen lang nicht da war). Ich hätte in den Regenpausen rausgehen können, um die frische Luft und die schönen Stunden des Tages zu nutzen. Zeit vergeudet, nicht getan. Weil ich einfach nicht daran gedacht hatte. Ich kann nicht an alles denken, wenn ich angeschlagen bin und mich erholen möchte, dann tue ich das nicht im herbstlichen Nieselregen. Aber solche Argumente gibt es in diesen Momenten nicht. Dann ist alles, was ich tue, nur schlecht und verwerflich.
So sehr, dass ich es beenden möchte. Aber das ist ja Schwachsinn, denn dann finde ich die Aufgabe, wegen der ich überlebt habe, ja niemals. Und es gibt diese Aufgabe. Sie lässt sich kreativ ausführen, sonst hätte ich doch nicht dieses andauernde Bedürfnis, etwas zu erschaffen (ich male, seit ich ein Kleinkind bin und habe im Kindergarten, als andere nur Strichmännchen gekrakelt hatten, schon Menschen im Profil gemalt, durch Malen drückte ich mich seit Jahr und Tag aus, bis meine Kunstlehrerin mir das alles zerstört hatte).
Lange Rede, kurzer Sinn:
Das letzte Mal, dass ich etwas kreativ "erschaffen" habe und mich dabei nützlich gefühlt hatte, war, als ich Micons süßer kleiner Tochter ein Geschenk mit zweien meiner Ketten habe machen können. Jemand hatte sich darüber gefreut, dass ich etwas erschaffen hatte. Es hatte einen Nutzen.
Also habe ich mich am Riemen gerissen, die restlichen Perlen zusammengerafft und das Cuttermesser nicht angefasst. Das Ergebnis waren vier Ketten und ein Armband. Ich habe so ziemlich alles an Perlen verbraten, was ich noch hatte, in zwei Ketten habe ich meine Turmalin-Perlen verarbeitet. Bisher hatte ich mich bei ihnen immer zurückgehalten, wollte sie bei etwas besonderem verwenden. Tja, eine Kette hatte ich eben gar nicht wiedergefunden, wusste nur, dass ich sie gemacht habe, aber nicht, wo sie war. ...sie hing um meinen Hals... eben habe ich nachgeschaut, was Turmalin allgemein denn so bewirkt: er fördert die Schaffenskraft. Na, da haben wir es ja... und jetzt geht es mir wieder gut. Ich fühle mich, als hätte ich wieder etwas sinnvolles getan. (nun muss ich mich nur sputen, wieder an Perlen zu kommen, die sind leer)
Es tut mir leid, dass ich euch spät am Abend diesen sinnfreien Roman reingedrückt habe, aber das musste jetzt irgendwie sein...
Ich möchte mich bei euch allen Bedanken, ihr hört zu, ihr seid da, ihr versorgt mit Ideen, ihr seid einfach großartig!!
LG Julia