Letzten Winter wurde mir eine kleine urbane Legende hier aus der Gegend erzählt. Es ist zwar nicht mehr die heimelige Athmosphäre für Gruselgeschichten bei brennenden Kerzen, wenn es draußen finster und kalt ist, doch da es angeblich ohnehin im Sommer geschehen ist, ist es ja auch irgendwie egal.
Ob es wahr ist, kann ich nicht beschreien, hier auf dem Land geht es ruhig, bieder und bescheiden zu, die nächste größere Stadt ist etwas über 70 km entfernt und man hat hier eigentlich nicht viel zu erzählen (außer vielleicht entsetztes Kopfschütteln über das homosexuelle Ehepaar, das sich im Neubaugebiet ein bonbonrosa Haus gebaut hat, mein Gott, wie schrecklich, wenn man sonst keine Probleme hat...)
Ich lebe in einem Kaff und rundherum sind noch weitere Käffer, Bauernschaften und kleine Städte. In einer kleineren Stadt etwas weiter fort ist eine Klinik, die sich auf Neurologie spezialisisert hat. Angeschlossen ist auch eine Anstalt mit geschlossener Abteilung.
Die Geschichte habe ich von einer Freundin aus einem Vorort eben jener Stadt gehört.
Sie hat ein kleines Kind und die Familie nebenan hat auch einen kleinen Dötz in etwa demselben Alter. Der Ort ist klein, man kennt sich.
Eines Nachts wachte sie auf, weil ihr Kind laut schrie und plärrte und ist natürlich hin, um es zu beruhigen. Im Zimmer des Kindes schaute sie aus dem Fenster auf die Straße und zum Nachbarshaus und sah dort mehrere Polizeiwagen mit Blaulicht stehen. Das hatte das Kind wohl geweckt.
Was war also passiert? Die Nachbarin erzählte ihr am folgenden Tag diese Geschichte:
Sie war mit ihrem Mann Essen gegangen, ganz alleine, ganz edel, und haben das Kind bei einer Babysitterin gelassen, einem vierzehnjährigen Mädchen aus der Nachbarschaft. Handy war ja an, alles kein Problem.
Irgendwann kam dann der Anruf von der Babysitterin, dass sie das Kind nicht ruhig bekäme. Solange sie es auf dem Arm hielt, war es still, sie konnte in der Wohnung herumlaufen und das Baby war still, aber sobald sie es in sein Bettchen im Kinderzimmer legte, fing es an zu weinen, zu jammern und zu schreien.
Gut, meinte die Mutter, vielleicht hatte das Kleine ja auch einfach Angst im Dunkeln. Also sollte das Kindermädchen die Lichter im Kinderzimmer anlassen.
Das tat das Kindermädchen und eine Weile war wieder Ruhe.
Doch dann kam wieder ein Anruf: das Kind würde immer noch heulen, trotz angeschaltetem Licht.
Die Mutter konnte sich das nicht erklären, bis dann die Babysitterin den entscheidenden Satz sagte:
"Ich glaub, der Kleine hat Angst vor dieser riesigen Clownspuppe, die da in der Ecke auf dem Stuhl sitzt."
Woraufhin die Mutter nur tonlos fragte:
"Welcher Clown?"

Und da hat sich das Mädchen wirklich als Teenagerin mit Drahtseilnerven bewiesen: sie hat das Kind aus dem Kinderzimmer wieder mit ins Wohnzimmer genommen und die Polizei gerufen.
Was kam dabei heraus?
Aus der Anstalt war einer ausgebrochen und war kostümiert durch ein gekipptes Fenster in die Wohnung eingestiegen, hatte sich dann einfach als würde er dazugehören in das Kinderzimmer gesetzt und war immer, wenn das Kindermädchen rein kam, reglos sitzen geblieben.
Selbst, wenn das alles eine erfundene Geschichte sein sollte, finde ich es erstaunlich, dass daraus noch keine Geschichte für einen Horrorfilm gemacht wurde. Was da alles hätte passieren können?! Was hat der Kerl gemacht, während er mit dem Baby alleine im Zimmer war? (viel kann es ja nicht gewesen sein, weil das Kindermädchen wohl immer wieder reingekommen ist, wenn es geschrien hat) Was hätte dem Kindermädchen passieren können? Woher wusste der Clown, dass in diesem Haus ein Kinderzimmer war und noch dazu, dass niemand außer dem Kindermädchen noch im Haus war? Glück? Oder mehr?
Wir stellen uns jetzt einmal vor:
Das Mädchen hatte das Baby gerade wieder hingelegt, der Clown reglos wie eine Puppe in der Zimmerecke, sie dreht sich um und will das Kinderzimmer verlassen - und plötzlich bewegen sich hinter ihrem Rücken die Augen des Clowns in ihre Richtung...
Als ich diese Geschichte gehört habe, habe ich, nachdem ich in meine Wohnung zurück kam, erstmal alle Lichter angemacht und sogar unter meinem Bett nachgesehen, ob alles so ist, wie es sein soll

Hoffentlich kommt die Geschichte hier auch so gruselig rüber, wie ich sie damals am Kamin eben jener Freundin gehört habe, während draußen still der Schnee fiel

(und es ist wirklich nicht sehr hilfreich, parallel Stephen Kings ES zu lesen... ich hab jetzt noch mehr Angst vor Clowns...)
Vielleicht bekommt ihr ja auch ein wenig Gänsehaut, kann bei der Hitze nicht allzu schlecht sein

LG Julia